Es gibt etwas, das ich absolut nicht leiden kann und das ist Überheblichkeit. Andere kleinzumachen, um sich selbst aufzuwerten, spricht nicht für ein gesundes Selbstbewusstsein.

Doch das genaue Gegenteil davon kann mindestens genauso anstrengend sein.

Was ich damit meine?
Dass jemand versucht, dauernd möglichst höflich und rücksichtsvoll zu sein. Immer lieb und nett ist und sein Licht unter den Scheffel stellt. Diese Person ist flutschig wie ein Aal. Du bekommst sie einfach nicht zu fassen.

  • „Danke für die Einladung, aber ich will euch nicht zur Last fallen.“
  • „Nein, du brauchst mir nicht helfen. Ich möchte dich nicht von deiner Arbeit abhalten.“
  • „Ich frage lieber nicht, ob ich den Termin verschieben kann. Das ist für XY bestimmt unpassend.“

Auf den ersten Blick scheint diese Person besonders rücksichtsvoll zu sein. Auf den zweiten ist sie es nicht. Sie glaubt zu wissen, wie ihr Gegenüber reagieren oder sich fühlen wird und nimmt ihm von vornherein die Entscheidung ab.

Dabei weiß die andere Person selbst am besten,

  • ob der Besuch für sie eine Last darstellt oder nicht.
  • ob sie ihre Arbeit unterbrechen möchte, um dir zu helfen.
  • ob die Terminverschiebung passend oder ungünstig ist.

Indem du jemandem ungefragt eine Entscheidung abnimmst, bevormundest du ihn/sie und das ist überheblich – auch wenn es höflich gemeint ist.

Was ist aber, wenn es der anderen Person schwerfällt, ihre Gefühle oder Meinung zu äußern?
Anstatt Nein zu sagen, macht sie vielleicht Dinge, die sie eigentlich nicht will. Ist es dann nicht gut, wenn du ihr die Entscheidung abnimmst?

Nein, ist es nicht. Genau das sind Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung. Du hilfst niemanden, wenn du ihn in Watte packst und ihm die Verantwortung für das eigene Leben abnimmst.

Annehmen zu können, ist wichtig

Diese scheinbar höfliche Rücksichtnahme ist auch noch aus einem weiteren Aspekt heraus nervig. Nicht nur, dass über meinen Kopf hinweg entschieden wird: immer wieder muss ich dieser Person versichern, dass sie mir nicht zur Last fällt. Dass ich ihr gerne helfe. Dass sie natürlich ihren Termin verschieben darf – selbst bei der 1000sten Rückfrage, ob es mir auch WIRKLICH nichts ausmacht.

Sich kleinzumachen, ist ebenfalls das Ego. Was ich damit meine, erfährst du in diesem Artikel.

Ähnlich sieht es mit Komplimenten aus.
Ich sage jemanden etwas Nettes und der andere schwächt es umgehend ab. Anstatt es mit einem einfachen „Danke“ anzunehmen, kommt die Antwort  „Ach, das war doch nichts Besonderes.“

Wenn ich das Eindruck habe, dass sich der andere mit einem Kompliment unwohl fühlt, macht es keine Freude, ihm eines zu machen – also lasse ich es.

Genauso sieht es mit Geschenken oder kleinen Aufmerksamkeiten aus. Gutes zu tun, macht glücklich und zwar beide Seiten. Dazu gehört aber nicht nur das Geben, sondern auch das Annehmen – sei es in Form von Hilfe oder materiellen Geschenken.

Ich bin es nicht wert

Hinter all diesen Verhaltensweisen steckt eine klare Aussage: Ich bin es nicht wert.

  • Ich bin es nicht wert, dass sich jemand für mich Mühe macht.
  • Ich bin es nicht wert, dass jemand für mich seine Arbeit unterbricht.
  • Ich bin es nicht wert, dass mir jemand ein Kompliment macht.
  • Ich bin es nicht wert, dass mir jemand hilft oder mir etwas schenkt.

Wenn du selbst nicht daran glaubst, all dies wert zu sein, dann glauben es die anderen auch nicht. Es ist zudem nicht ihre Aufgabe, dir deinen Wert bewusst zu machen – es ist deine.

Dein Selbstwertgefühl bestimmt, wie glücklich und erfüllt du dich fühlst. Es ist deine Ansicht über dich selbst, die dein Handeln beeinflusst und an dieser Ansicht kannst du etwas ändern.

  1. Werde dir dessen bewusst, wie du über dich denkst. 
    Dazu gehört es auch, negative Gedanken in positive umzuwandeln.
  2. Sei gut zu dir und deinem Körper
    Iss gesund, sorge für Bewegung, gönn dir ausreichend Entspannung und sei freundlich zu dir. Das ist das Mindeste, das du für dein Wohlergehen tun kannst.
  3. Notiere dir, wofür du dankbar bist. 
    Lege deinen Fokus auf die guten Dinge in deinem Leben.
  4. Übernimm Verantwortung für dich
    Höre auf zu jammern und komm raus aus der Opferrolle. Damit ziehst du nur Menschen an, denen es genauso geht.
  5. Übe dich im Annehmen
    Wenn dir jemand Hilfe/ein Geschenk anbietet oder dir ein Kompliment macht, dann nimm es an. Höre auf, dich klein zu machen und freue dich stattdessen über diese Zuwendung.
  6. Sag, was du denkst 
    Es ist nicht die Aufgabe anderer zu erraten, wie du dich fühlst oder was in dir vorgeht. Kommuniziere offen deine Meinung und Gedanken.

Diese von mir angeleitete Übung unterstützt dich, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln.

Wie ich das kenne …

Auch ich selbst habe lange Zeit versucht, everybody’s darling zu sein. Zu äußern, was ich wirklich empfinde, habe ich als unhöflich empfunden. Wenn mich ein Kellner gefragt hat, wie mir das Essen geschmeckt hat, lautete die Standardantwort: „Es war alles prima“, auch wenn ich dachte „bäh, was für ein Fraß.“

Ich wollte möglichst bescheiden sein, also das Gegenteil von überheblich. Dass dieses Verhalten genauso ätzend sein kann, ist mir nach und nach bewusst geworden.

Als ich damit begonnen habe, echt zu sein, war es einfacher als gedacht. Ich schätze authentische, ehrlich Menschen und möchte selber auch so einer sein. Harmonie auf Biegen und Brechen zu wahren, schadet beiden Seiten.

Fazit

Vermeintliche Höflichkeit mag gut gemeint sein, kann aber nach hinten losgehen. Anstatt dir ständig einen Kopf über die anderen zu machen, konzentriere dich auf dich selbst.

Werde dir dessen bewusst, was du willst und kommuniziere es deutlich. So wirst du für andere als Person greifbar und zu einer interessanten Persönlichkeit. Es ist nie zu spät, um in dein Selbstwertgefühl zu investieren – worauf wartest du?

Hinweis

Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich geändert.
Ich unterstütze jetzt Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz, ihre individuellen Probleme im Zusammenleben gelassen zu meistern – gewaltfrei und positiv. Hier erfährst du dazu mehr.