„Jetzt ist die beste Zeit, um dich neu auszurichten.“
„Richte deine Aufmerksamkeit nach innen“
„Nutze die Zeit, um dich weiterzubilden.“
So und so ähnlich tönt es gerade aus allen Ecken und Enden.
Die verhängten Ausgangssperren schenken uns Zeit, die sonst fehlt.
Lasst sie uns nutzen, um uns selber zu fortzubilden, eine neue Sprache oder Yoga zu lernen oder zu was auch immer.
Wenn das für dich gerade tatsächlich machbar ist, dann gehe es an.
Lies hier nicht weiter. Geh sofort über Los, jetzt ist deine Zeit!
Selbstoptimierung? Jetzt nicht!
Für viele andere Menschen sind diese Aufforderungen ein Schlag ins Gesicht.
- Für alle, die gerade bis zum Anschlag gestresst sind, weil sie plötzlich zu Hause festhängen, ihre Kinder bespaßen und zudem noch im Home Office arbeiten müssen.
- Für alle, die getrennt von ihren Verwandten sind und sich um diese Sorgen machen.
- Für alle, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben und nicht wissen, wie sie sich emotional über Wasser halten sollen.
Aber hey, Kopf hoch und auf geht’s mit dem Optimieren!
Ich als Entspannungstrainern könnte ebenfalls ganz verklärt verlauten lassen, jetzt sei die richtige Zeit, um dich endlich mal dem Nichtstun hinzugeben und fünf gerade sein zu lassen. Doch das mache ich nicht, weil ich es unpassend finde.
Ich halte auch nichts von spirituellem Geschwurbel, dass sich nun endlich nach dieser Krise alles zum Guten wenden wird.
Zwar bin ich durchaus an spirituellen Themen interessiert, aber nur, wenn sie sich im Alltag umsetzen lassen. Deshalb stehe ich manchen dieser wohlklingenden Aussagen kritisch gegenüber.
Spätestens bei der Frage nach dem Wie ist oft Schicht im Schacht, zum Beispiel bei „Vertraue dich deiner Angst an.“
Klingt toll, ist aber in der Praxis für viele einfach um Welten zu schwer. Vor allem dann, wenn diese Person gerade alleine in einer Wohnung festsitzt und keinen Ansprechpartner hat, der sie auffängt.
Genauso wenig halte ich von Schwarzsehern, die nun das Ende der Welt vorhersagen wollen. Wem ist mit diesem Gedanken gedient? Er ist genauso an den Haaren herbeigezogen und konstruiert wie die Gegenseite.
Ich übe mich lieber darin, im Hier und Jetzt so gut geht auf mich zu achten.
Dass ich mich dabei in einer sehr privilegierten Lage befinde, ist mir mehr als bewusst.
Unser Wohnmobil steht komplett autark abseits in der Natur. Ich bekomme von dem ganzen Trubel nur das mit, was im Internet kursiert oder wenn ich einmal in der Woche einkaufen gehe. Ansonsten geht mein Leben gerade weiter wie sonst auch.
Ich bin es gewohnt, auf engstem Raum mit meinem Partner zu leben und zu arbeiten. Somit ist die momentane Situation für uns nichts Neues.
Miteinander statt Gegeneinander
Für viele andere ist sie aber neu.
Sie ist belastend. Sie führt zu Ängsten und Sorgen, zu Unausgeglichenheit und Frust.
Jemanden zu raten, er solle seine Aufmerksamkeit genau jetzt nach innen richten, dieser Schuss kann nach hinten losgehen. Nicht jeder ist den starken unangenehmen Gefühlen gewachsen, die dabei auftauchen können.
Wie wäre es, wenn wir einfach mal ’nen Gang runterschalten.
Wenn wir uns zugestehen, dass diese Phase außergewöhnlich ist.
Wenn wir uns gegenseitig unterstützen.
Durch virtuelle Kaffeekränzchen, aktive Hilfeleistungen vor Ort oder was sonst noch alles möglich ist.
„Nutze die Zeit, um an dir zu arbeiten.“
Das können die am besten sagen, die gerade nicht unter einem Berg Sorgen ersticken, bis in die Haarspitzen genervt oder überfordert sind.
Manche haben im Augenblick tatsächlich mehr freie Zeit als sonst, andere nicht.
Du brauchst jedenfalls kein schlechtes Gewissen zu haben, weil du den Kopf nicht für andere Dinge als die Alltagsbewältigung frei hast.
Hinweis
Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich geändert.
Ich unterstütze Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz, ihre individuellen Probleme im Zusammenleben gelassen zu meistern – gewaltfrei und positiv.
Hier erfährst du dazu mehr.
Hallo Nima, vielen Dank,
das passt bei mir absolut und ich bin froh das lesen zu können. Bin zZ komplett im Stress mit Dingen die von Außen auf mich einwirken und nicht änderbar, nicht verschiebbar und auch nicht ignorierbar sind, Und es eben fast unmöglich machen mal „abzuschalten“ oder was auch immer momentan von allen Seiten empfohlen wird. Danke
lg
joe
Hallo Joe,
es tut mir leid zu lesen, dass du gerade selber so davon betroffen und komplett im Stress bist. Manchmal bleibt nur, den Kopf über Wasser zu halten und wieder aufzutanken, wenn das Schlimmste vorbei ist.
Ich wünsche dir alles Liebe! 🙂
Nima
Hallo Joe,
ist ja auch manchmal nicht so einfach. Die Wirtschaft wird ganz schön durcheinander gewirbelt und wenn z.B. die Existenz bedroht ist, kann das schon mal arg stressen. Und die Kontrolle zu verlieren ist ekelhaft, da ist doch Angst normal. „Hab Gottvertrauen“ ist ja leicht gesagt, die Umsetzung? Schwierig. 🙂 Machbar schon, jede/r im eigenen Tempo.
Ich wünsche Dir innere Ruhe, dass Du mit den auf Dich einprasselnden Dingen fertig wirst und vielleicht auch die schönen Dinge, die durch die Krise entstehen, entdecken kannst. Viele Leute machen z.B. Musik, es gibt diese Videos, wo Rettungskräfte bzw. Polizisten auf den Straßen singen, ich habe neue Solidarität entdeckt. Vielleicht schaffst Du es ja, den Fokus mehr darauf zu richten, ich wünsche Dir alles Gute dazu.
LG
Monika
Mit der Krise geht es mir persönlich ganz gut. Ich bin zuhause, muss nicht mehr fahren, muss sogar HomeOffice machen, was ich ja davor nicht durfte.
Stress hab ich mehr in der Arbeit (jaja, ich weiß… ist halt nicht so einfach 😉 ).
Dadurch, dass in den Läden keine Hefe mehr zu bekommen ist, beschäftige ich mich mit Alternativen, das ist äußerst spannend.
Mit der Ruhe komme ich klar, das hatte ich vorher ja auch schon. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das jemanden, der sonst immer nur Hamsterrad gewöhnt war, recht zu schaffen macht.
Mein Wohnwägelchen geht mir ab (und manche Sachen, die ich noch angeschaut, aber dort gelassen hab :/, hatte mich schlicht verschätzt und dachte, ich komm allemal nochmal hin), aber wird schon – alles, was wirklich lebenswichtig ist, ist ja vorhanden. Essen, trinken, Luft, so sauber wie schon lange nicht mehr (schaut mal in den Himmel!)
Diese Phase ist wirklich außergewöhnlich und jede/r geht anders damit um. Hoffen wir, dass unsere Lieben gesund bleiben.
Für die Gesellschaft generell sehe ich eine große Chance, ruhiger zu werden (es war finde ich zu hektisch), die Prioritäten neu zu ordnen, friedlicher zu werden, mehr zusammenzuhalten in der scheinbaren Trennung.
LG
Monika