Intro-was? Wenn es um Introvertiertheit geht, sehe ich in den Augen einiger Menschen Fragezeichen. Vielleicht weißt auch du nicht genau, was sich hinter diesem Begriff verbirgt.
Oft wird introvertiert zu sein mit schüchtern gleichgesetzt. Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Es gibt sowohl schüchterne Introvertierte als auch schüchterne Extrovertierte.
Was genau der Unterschied ist und was es heißt, introvertiert zu sein, das erfährst du jetzt.
Introvertiert – und jetzt?
Du musst laut sein, um gehört zu werden. Das scheint das Motto unserer Welt zu sein. Introvertierte mögen es aber gerne ruhig. Und sie brauchen viel Ruhe, um sich wohlzufühlen und Energie zu tanken.
Diese Merkmale zeichnen introvertierte Menschen aus:
- Sie sind lieber im kleinen Kreis von vertrauten Menschen oder alleine.
- Sie brauchen Zeit für sich und zum Nachdenken.
- Sie stehen nicht gerne im Mittelpunkt von Partys oder Gesprächen.
- Smalltalk ist nicht ihr Ding.
- Sie neigen zum Grübeln und dazu, sich selbst zu hinterfragen.
- Der Gedanke, alleine auf eine Party zu gehen und viele neue Leute zu treffen, sorgt für Stress.
- Sie haben feine Antennen für sich selbst und andere.
- Gespräche oder das Zusammensein mit vielen Menschen rauben ihnen Energie.
- Sie neigen dazu, sich selbst zurückzunehmen und anderen den Vortritt zu lassen.
Dies sind nur ein paar Eigenschaften, die nicht auf jeden 100 % zutreffen. Ich selbst bin beispielsweise introvertiert, gebe aber sehr gerne Workshops. Beruflich macht es mir Spaß, im Mittelpunkt zu stehen. Privat mag ich es hingegen gar nicht.
Ob du zu den introvertierten Menschen gehörst, kannst du in diesem Test herausfinden.
Schau dir im Vergleich dazu einmal die Merkmale extrovertierter Menschen an:
- Sie gewinnen durch das Zusammensein mit anderen Menschen Energie.
- Sie sind gerne unter Leuten.
- Sie sind gesprächig und Unterhaltungen dürfen auch mal oberflächlich sein.
- Sie sind nach außen gewandt.
- Sie reagieren und handeln schneller.
Während Extrovertierte zum aktiven Handeln neigen, sind Introvertierte tendenziell ruhiger und überlegter. Ihre Aufmerksamkeit ist mehr auf das Innenleben gerichtet, bei Extrovertierten aufs Außenleben.
So weit die grobe Beschreibung. Und nun zu den Herausforderungen, mit der sich Introvertierte konfrontiert sehen.
Still heißt nicht schüchtern
Nur weil jemand ruhig ist, ist er nicht zwangsläufig schüchtern. Schüchternheit beschreibt die Angst eines Menschen davor, auf andere Menschen zuzugehen und Kontakte zu knüpfen.
Introvertierte Menschen haben davor jedoch keine Angst. Sie haben lediglich ein geringeres Bedürfnis nach sozialen Kontakten, weil sie sich durch diese ausgelaugt fühlen. Dennoch denken viele bei einem stillen Menschen direkt, dass dieser schüchtern sei – ein Trugschluss.
Ihrem Bedürfnis nach Ruhe oder Aktivitäten im kleinen Kreis gerecht zu werden, stellt für Introvertierte eine Herausforderung dar. Sie möchten sich nicht von allen sozialen Aktivitäten ausschließen, denn auch sie haben natürlich den Wunsch nach Verbundenheit und Miteinander. Sagen sie jedoch eine Einladung oder ein Treffen ab, wird dies von manchen als Desinteresse fehlinterpretiert.
Introvertierte sind jedoch auch sehr sensibel und feinfühlig. Anstatt in so einem Fall klar für ihre Bedürfnisse einzustehen, halten sie sich höflich zurück. Das führt dazu, dass sie ihre persönlichen Grenzen missachten und es ihnen an der notwendigen Zeit fehlt, um sich zu erholen.
Umso wichtiger ist es für sie zu lernen, empathisch Nein zu sagen und sich für sich selbst stark zu machen.
Deine Stärken als Introvertierte
Introvertiert zu sein, ist weder eine Krankheit noch irgendwie seltsam. Es ist lediglich ein Persönlichkeitsmerkmal, das unter anderem beschreibt, auf welche Weise du Energie gewinnst und wodurch du sie verlierst.
Dabei tankst du beispielsweise Energie:
- in der Natur sein
- spazieren gehen oder Rad fahren
- lesen
- deinen Gedanken nachhängen
- kreative Tätigkeiten wie schreiben oder malen
- Yoga
Du bist als Introvertierte weder seltsam noch komisch oder gestört. Es sei denn, du drückst dir selbst diesen Stempel auf und erwartest von anderen, dass sie dich mit Samthandschuhen anfassen, weil du so „anders“ bist. Damit tust du dir keinen Gefallen.
Konzentriere dich lieber darauf, welche guten Seiten es mit sich bringt, introvertiert zu sein. Dies sind Aspekte, von denen du und andere profitieren könnt.
Ein paar Vorteile von Introvertiertheit sind:
- gut zuhören und beobachten können
- hohes Einfühlungsvermögen
- das Alleinsein fördert Kreativität und Ideen
- anderen Raum geben können
- sich selbst als Mensch zurücknehmen und die Sache in den Vordergrund stellen können
- intensiv nachdenken und sich fokussieren können
- Weniger reden, dafür direkter auf den Punkt kommen
Fazit: Du bist nicht besser oder schlechter
Ziel sollte es sein, deine Stärken als Introvertierte zu erkennen und diese zu leben. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Stärken anzuerkennen, die Extrovertiertheit mit sich bringt. Beide Parteien können sich hervorragend ergänzen, wenn sie sich verständnisvoll aufeinander einlassen.
Hinweis
Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich geändert.
Ich unterstütze jetzt Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz, ihre individuellen Probleme im Zusammenleben gelassen zu meistern – gewaltfrei und positiv. Hier erfährst du dazu mehr.
Schon in Kindheit und Jugend bin ich dadurch aufgefallen, dass ich mir viele Gedanken mache und auch Vieles infrage stelle… Besonders prägnant war meine Einstellung zu Partys im Allgemeinen und zum Alkoholkonsum im Besonderen…wenn ich dann doch mal mit auf eine Party ging, war ich in der Wahrnehmung der anderen eher die Aufpasserin meiner Freundin, die oft nach Partys nicht mehr wusste, wie sie heim gekommen war. Einmal sagte ein junger Mann zu meiner Freundin (mit Blick auf mich): „Na….hast du dein schlechtes Gesicht auch mit dabei?“ Irgendwann habe ich es mit den Partys gelassen, mir aber trotzdem insgesamt zu wenig von „meinen“ Energiequellen gegönnt, immer erst, wenn ich total ausgelaugt war und dann war ich zu erschöpft, einen Spaziergang zu genießen…. Danke, mir ist beim Lesen dieses Blogs klar geworden, wie selbstverständlich es ist, dass die Bedürfnisse einfach anders sind und Verbiegen keine Option….
Liebe Birgit,
ich danke dir fürs Teilen deiner Erfahrungen. Du schreibst „dann war ich zu erschöpft, einen Spaziergang zu genießen“ Das ist eine Aussage, die ich in meiner Arbeit oft höre. Die frauen sind zu k.o., um noch Dinge zu tun, die ihnen eigentlich Kraft schenken.
Umso wichtiger ist es, rechtzeitig Stopp zu sagen und gut für sich zu sorgen.
Herzliche Grüße
Nima
Liebe Nima,
zufällig habe ich den Film mit Euch über Leben mit dem Camper angesehen und bin dadurch auf deinen Blog gekommen.Ich war sprachlos, als ich die Beschreibung über das Introvertiert sein, gelesen habe. Es trifft mich so im Kern, noch nie habe ich mich so klar und deutlich gesehen.
Natürlich spürst du als introvertiertes Wesen schon als Kind das du anders bist, es gibt ja auch genügend Schlüsselsituationen. Aber in dieser „lauten Welt“ versuchst Du Dich anzupassen! Und ich habe 2 erwachsene Kinder, das war sowieso nicht einfach diesen Spagat aus erhöhtem Ruhebedürfnis für mich selbst und Erziehung in diese Welt , verantwortlich für 2 kleine Menschlein, zu gestalten. Das Glück war, das der Vater, also mein Partner immer alles so gut es ging mit getragen hat. Zudem war ich auch noch sehr krank vor einigen Jahren.
Mittlerweile gelingt es alles besser, alleine weil ich die Zeit für mich mittlerweile wieder habe. Trotzdem kränkt es mich, das ich durch meine nach aussen oft zurückgezogene Art als überheblich und desinteressiert rüberkomme. Genau wie Du es beschreibst, fehlt mir dieses Interesse an Small Talk und Alltags Klatsch. Das ist die wunde Stelle an der ich noch sehr arbeiten muss und zu meinen Bedürfnissen stehe, egal was die Aussenwelt denkt.
Aber ich befinde mich ja auf dem Weg. Danke, es tut gut, das es Menschen wie dich gibt, die das so klar und wertfrei darstellen und aus eigenem Erleben schildern.
Hallo liebe Birgit,
ganz herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Damit hilfst du auch anderen, sich nicht alleine zu fühlen.
Es kann immer wieder passieren, dass andere kein Verständnis für dieses starke Ruhebedürfnis haben und dann Desinteresse oder Überheblichkeit unterstellen. Ich habe für mich gelernt, das als eine Selbstaussage des anderen zu verstehen, die nichts mit mir zu tun hat. Ruhig zu sein, kann andere Menschen verunsichern. In unserer Kultur geht es darum zu reden, nicht zu schweigen.
Umso wichtiger ist es, seinen eigenen Weg zu finden und klar zu seinen Bedürfnissen zu stehen. Super, dass du genau das macht!
Ganz liebe Grüße und alles Gute für dich
Nima