„Ich will nicht, dass andere denken, ich sei egoistisch.“

Diese Aussage höre ich immer wieder von Frauen. Sie wird als Grund dafür genannt, dass sie keine Grenzen ziehen und nicht Nein sagen. Die Angst, andere können negativ von ihnen denken und sie für egoistisch halten, sitzt tief.

Und so sagen sie immer wieder Ja zu Dingen, die sie nicht machen möchten. Halsen sich Aufgabe über Aufgabe auf, bis sie nicht mehr können. Doch glücklich sind sie damit nicht. Im Gegenteil, oft fühlen sie sich von ihrem Umfeld ausgenutzt und werfen anderen genau das vor, was sie selbst nicht sein wollen: egoistisch.

Die Angst, egoistisch zu sein

Egoismus ist für viele ein böses Wort. Etwas, das es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Egoistische Menschen gelten als rücksichtslos und kümmern sich nicht um die Belange anderer. Kaum jemand möchte gerne in diese Schublade gesteckt werden.

Schon gar nicht, wenn du mit dem Glaubenssatz aufgewachsen bist, dass du immer nett sein musst. Nett zu sein und gleichzeitig Grenzen zu ziehen, scheint für viele Frauen ein Widerspruch zu sein.

Wieso solltest du jedoch freundlich zu anderen sein, aber nicht zu dir selbst?
Wie ist es wohl für andere, dir dabei zuzusehen, wie du dich an den Rand deiner Belastbarkeit bringst? Wieso glaubst du, dass sie dieses Verhalten als positiv einstufen?

Viel häufiger erlebe ich es, dass Menschen geschätzt und geachtet werden, die klare Grenzen ziehen. Bei denen weißt du, woran du bist. Sie sind greifbar und geben durch ihr Nein Orientierung.

Nein sagen zu können, wirkt zudem befreiend. Was ich damit meine, kannst du hier nachlesen.

Doch zurück zum Egoismus.

  • Was ist daran verwerflich, wenn du dich aktiv für die Erfüllung deiner Bedürfnisse einsetzt.
  • Wenn du dir erlaubst, dir Ziele zu setzen und diese zu verwirklichen.
  • Wenn du deinem Körper die Ruhe und Erholung gönnst, die er braucht, um gesund und leistungsfähig zu bleiben.
  • Wenn du bewusst mit deiner (Lebens-)Zeit umgehst.

Es ist unmöglich, allen gerecht zu werden. Wenn du gut für andere sorgen möchtest, sorge erst einmal gut für dich selbst.

Die Sache mit dem Ego

Suchst du nach Definitionen für Egoismus, findest du verschiedenste Ergebnisse, zum Beispiel „Eigeninteresse“. Das ist weder gut noch schlecht, richtig? Und ganz ehrlich, wir alle handeln immer in unserem eigenen Interesse – auch du.

Selbst wenn du dich bis zum Anschlag für andere verbiegst, um es ihnen recht zu machen, geschieht dies aus deinem eigenen Interesse heraus. Du erzielst durch dieses Verhalten einen Gewinn, sonst würdest du es nicht tun. Sei es, dass du dich dadurch anerkannt fühlst oder du die Harmonie bewahrst.

Hinter jedem Handeln steckt eine Absicht, auch hinter vermeintlich selbstlosem. Oder lass es mich noch deutlicher formulieren:

Sich kleinzumachen, ist ebenfalls das Ego.

Nicht nur Menschen, die sich aufplustern und über andere stellen, stärken damit ihr Ego. Auch Menschen, die sich gegenteilig verhalten, tun dies.

  • Die einen brauchen die ständige Bestätigung, wie toll sie sind. Sie kompensieren ihr geringes Selbstwertgefühl durch Überheblichkeit.
  • Die anderen gewinnen dadurch Bestätigung, dass sie Zuspruch oder Ermutigung durch ihr Umfeld bekommen. Dass sie nicht so schwach, schüchtern oder unbegabt sind, wie sie sich selbst darstellen. Dass ihre Erfolge durchaus erwähnenswert sind.

Beide Formen sind ein Zeichen dafür, dass die Person nicht mit sich im Reinen ist.

Gesunder Egoismus ist Selbstfürsorge

Du wirfst jemandem vor, egoistisch zu sein? Diese Kritik ist in erster Linie eine Selbstaussage. Du drückst damit deine Wertvorstellungen, deine Bedürfnisse, deine Ansichten aus.

  • Dein Mann legt die Füße hoch und entspannt sich nach einem anstrengenden Tag, während du noch zig Sachen erledigst? So ein Egoist!
  • Dein Kind spielt lieber eine Runde, als dir beim Aufräumen zu helfen? Das ist egoistisch!

Die anderen halten dir einen Spiegel vor. Sie erlauben sich das, was du dir verbietest. Indem du sie dafür kritisierst, vermeidest du, bei dir selbst hinzuschauen und dort etwas zu verändern.

Der Schlüssel zu einem authentischen, erfüllenden Leben liegt darin, die Verantwortung für dich zu übernehmen. Nur so gelingt es dir, raus aus der Fremdbestimmung und dem damit verbundenen Stress zu kommen.

Sag Ja zu dir

Wie schaffst du es, mit gutem Gefühl Grenzen zu ziehen und Ja zu dir zu sagen? Indem du dir verschiedene Fragen beantwortest.

  1. Ist das, was du möchtest, gut für dich?
  2. Ist es gut für die andere Person?
  3. Wenn es nicht gut ist, richtest du damit einen Schaden an?

In den seltensten Fällen wird deine Antwort auf die dritte Frage „Ja“ lauten. Vielleicht sind die Konsequenzen für die andere Person unbequem. Vielleicht muss sie sich um jemand anderen bemühen, der ihr beim Umzug hilft. Oder sie muss den Geburtstagskuchen beim Bäcker kaufen, statt ihn von dir gebacken zu bekommen.

Mach dir das nicht zu deinem Thema, es gehört in den Verantwortungsbereich der anderen Person. Deine Aufgabe ist es, Ja zu dir zu sagen. Nicht halbherzig, sondern aus vollem Herzen.

Ja zu deinen Gefühlen. Ja zu deinen Bedürfnissen. Ja zu deinen Wünschen. Ja zu deinen Stärken und Schwächen. Ja zu allem, was dich ausmacht. Und deshalb auch Ja zu einem gesunden Egoismus.

Hinweis

Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich geändert.
Ich unterstütze jetzt Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz, ihre individuellen Probleme im Zusammenleben gelassen zu meistern – gewaltfrei und positiv. Hier erfährst du dazu mehr.