„Hätte ich doch nur meinen Mund aufgemacht!“
Ein Gedanke, mit dem sich viele introvertierte Frauen herumschlagen. Anstatt offen ihre Meinung zu vertreten, halten sie diese lieber zurück. Im Nachhinein ärgern sie sich oft darüber und fühlen sich dadurch direkt noch schlechter.
Hätte, sollte, müsste und Selbstvorwürfe bringen dich nicht weiter. Es gibt gute Gründe, wieso es dir bisher schwerfällt, deine Meinung klar zu äußern. Welche das sind und wie du es schaffst, diese Hürden zu überwinden, erfährst du jetzt.
Deine Meinung äußern – so klappt es
Ob auf der Arbeit oder im Freundeskreis, immer wieder gibt es im Alltag Situationen, in denen deine Meinung eine Rolle spielt. Dies betrifft sowohl harmlose Themen als auch große Entscheidungen.
- Vielleicht fallen dir am Vorschlag deiner Kollegin noch ein paar Dinge auf, die optimiert werden könnten. Du sprichst es aber nicht an.
- Vielleicht willst du dein Wochenende lieber nur mit deinem Partner und ohne deine Freunde verbringe. Du sagst es aber nicht.
- Vielleicht findest du die Idee deiner Freundin nicht ganz so prickelnd wie sie selbst. Du behältst das aber lieber für dich.
Menschen, die ihre Meinung nicht frei mitteilen, haben häufig Angst vor Konflikten oder Ablehnung. Um diesen aus dem Weg zu gehen, bleiben sie lieber still. Wenn du jedoch nicht sagst, was du denkst oder willst, können es die anderen nicht wissen. Auch deine Ideen werden in diesem Fall weder gesehen noch gehört.
Dazu kommt, dass du für andere Menschen nicht greifbar bist. Es mag sich angenehm und sicher anfühlen, die Harmonie zu wahren. Damit verbunden ist allerdings,
- dass deine Beziehungen oberflächlich bleiben
- und andere weniger Vertrauen in dich setzen.
Warum? Weil sie nie sicher sein können, ob du ihnen negative Informationen vorenthältst.
Damit nicht genug. Indem du Konflikte vermeidest, erhältst du sie aufrecht. Ihnen aus dem Weg zu gehen, lässt sie nicht verschwinden. Doch auf diese Weise nimmst du dir die Chance, sie konstruktiv zu lösen.
Manche Frauen denken auch, sie selbst seien nicht wichtig. Welche Folgen mit diesem Gedanken verbunden sind, kannst du hier nachlesen.
Trau dich, anzuecken
Alleine bei dem Gedanken anzuecken setzt bei dir unter Umständen ein Fluchtreflex ein. Wir alle wollen gemocht werden, das ist vollkommen natürlich. Anzuecken bedeutet aber nicht das Ende der Welt.
Selbstsicherheit ist nicht: „Sie werden mich alle mögen.“ Selbstsicherheit ist: Ich bin o.k., auch wenn sie es nicht tun.
Halte dir immer wieder vor Augen, welchen Preis zu dafür zahlst, dass du deine Meinung nicht äußerst. Und mache dir bewusst, was du gewinnst, wenn du es tust. Damit meine ich nicht begeisterten Applaus, sondern Selbstachtung. Du gewinnst zudem an Präsenz. Dazu ist es nicht nötig, laut oder aggressiv zu sein.
Es geht vielmehr um deine innere Klarheit über:
- deine Werte
- deine Bedürfnisse
- deine Wünsche
- deine Ideen
- deine Grenzen
Und natürlich spielt eine Rolle, wie du deine Meinung äußerst. Du kannst anderen damit direkt vors Bein treten oder bei deiner Formulierung bei dir selbst bleiben.
Statt „das ist hässlich“ wäre „mir gefällt es nicht“ die bessere Variante.
Tipps, um deine Meinung zu äußern
Der wichtigste Tipp zuerst: rede dich nicht damit heraus, introvertiert zu sein. Auch „so bin ich halt“ gilt nicht. Introversion ist kein Grund, dich mit deiner Meinung hinterm Berg zu halten. Nutze sie nicht als Ausrede, um alles beim Alten zu belassen. Frag dich lieber, wieso es dir wichtig ist, deine Meinung offen vertreten zu können.
Und so gelingt es dir.
- Angriffe
Es ist weder sinnvoll, deinen Gesprächspartner anzugreifen noch dich durch eine andere Meinung angegriffen zu fühlen. Wie du mit Kritik nicht persönlich nimmst, erfährst du in diesem Artikel. Anstatt zu sagen „Du hörst mir nie zu“ kannst du beschreiben, was du wahrnimmst, zum Beispiel „Wenn ich dir etwas erzähle und du dabei auf dein Smartphone schaust, habe ich das Gefühl, dass du mir nicht zuhörst.“ - Bleib standhaft
Es kann sein, dass dein Gegenüber andere Ansichten vertritt als du. Das ist kein Grund einzuknicken. Es können auch zwei verschiedene Meinungen gleichzeitig existieren. Ist dies nicht möglich, weil eine Entscheidung getroffen werden muss? Dann überlege, welcher Kompromiss möglich wäre, mit dem du dich gut fühlst. - Sachlich statt emotional
Wenn dich ein Thema emotional berührt, atme erst ein paarmal tief durch, bevor du etwas sagst. - Nimm beide Seiten ernst
Deine Meinung zu vertreten ist kein Machtkampf. Es geht darum, dich mitzuteilen. Dazu gehört es aber auch, dem anderen zuzuhören und auf seine Gedanken einzugehen. - Achte auf deinen Ton
Sprich in einer gut verständlicher Lautstärke. Du brauchst weder flüstern und dich dadurch kleinmachen noch brüllen. - Keine Verallgemeinerungen
Generalisierungen können für Unmut sorgen, weil du damit dem anderen deine Meinung unterjubelst. Rede daher von deinen Eindrücken, von deinen Empfindungen anstatt sie zu verallgemeinern. Nicht „Alleinsein ist was Tolles“, sondern „Für mich ist Alleinsein etwas Tolles“. - Weg damit
Vermeide Füllwörter wie eigentlich, naja oder ähm.
Achte einmal auf den Unterschied zwischen „Eigentlich würde ich am Wochenende ja lieber zuhause bleiben“ zu „Ich möchte am Wochenende zuhause bleiben.“ Je mehr Klarheit du ausstrahlst, umso weniger Angriffsfläche bietest du anderen, dich umzustimmen. Diese Klarheit hilft dir auch beim Neinsagen.
Die richtige Bühne für deine Meinung
Deine Meinung offen zu vertreten bedeutet nicht, dass du sie jederzeit und überall kundtun musst. Du solltest dir vorab Gedanken über die Bühne machen, auf der du sie vertrittst und die möglichen Konsequenzen, die damit verbunden sein können.
- Ist es dir dieses Thema wert und wenn ja, warum?
- Fühlst du dich den möglichen Folgen gewachsen?
Wäge ab, wie wichtig dir das Thema ist und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sein können, dass du dazu deine Gedanken äußerst oder nicht.
Gerade auf Social Media gibt es ein paar Themen, die zu einem negativen Selbstläufer werden können. Deshalb halte ich mich online mit meiner Meinung zu machen Dingen bedeckt, über die ich in einem persönlichen Gespräch klar und offen spreche.
Fazit
Um zu lernen, deine Meinung zu vertreten, ist es notwendig, genau das zu trainieren. Nimm dir von den oben genannten Tipps einfach einen vor, den du in der nächsten Zeit übst.
Ja, die ersten Schritte kosten Überwindung. Doch indem du sie aufbringst, wirst du sichtbar und investierst gleichzeitig in dein Selbstvertrauen. Womit fängst du an?
Hinweis
Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich geändert.
Ich unterstütze jetzt Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz, ihre individuellen Probleme im Zusammenleben gelassen zu meistern – gewaltfrei und positiv. Hier erfährst du dazu mehr.
Früher habe ich mich oft auch nicht getraut, meine Meinung klar zu äußern, zB zum Weggehen am Wochenende.
Ich denke die Unterscheidung „ist es mir wichtig?“ ist die Ausgangsbasis, und wenn da die Antwort „ja“ lautet, das zu kommunizieren.
Meinungen so stehen zu lassen mit „ich sehe, wir kommen hier nicht zusammen“ und das zu akzeptieren (anstatt sich etwas aufdrängen zu lassen / aufzudrängen) finde ich hilfreich, wenn auch manchmal schwierig. Aber manchmal ergeben sich dadurch auch andere Lösungen, zB nur kurz mitgehen und sich ausklinken oder gleich separate Aktivitäten.
Ich danke dir das das Teilen deiner eigenen Erfahrungen und deine wichtigen Ergänzungen. Die Frage „ist es mir wichtig?“ halte ich auch für hilfreich. Leider sind viele Frauen mit dem Gedanken aufgewachsen, sich selbst wichtig zu nehmen, sei schlecht. Dadurch spielen sie ihre eigenen Interessen oder Wünsche immer wieder herunter.
Dazu wieder Zugang zu finden, ist ein entscheidender Punkt.
Ganz liebe Grüße
Nima